Abschied von Peter
Am 29. Juli wurde unser zweites Grosskind Malina Amelie geboren. Welche Freude und welch Wunder. Nun waren wir zum zweiten Mal Grosseltern geworden. Voll Stolz bestaunten wir die neue, kleine und schöne Erdenbürgerin!

TV-Sendung Club
Vorher, Anfangs Juli, wurde ich angefragt, um im Club, einer Diskussionssendung, als pflegende Angehörige teilzunehmen. Das Thema war das neue Alzheimermedikament, Aducanumab von dem sehr viel berichtet wurde und grosse Hoffnungen weckte. Ich überlegte hin und her, ich im Fernsehen? Konnte das gutgehen? Ich gab mir einen Ruck und sagte zu.
Meine Meinung zu neuen Medikamenten sind zwiespältig, meistens zeigte die Erfahrung; Es werden grosse Worte gemacht und es wird sehr wenig eingehalten und viel zu viel versprochen.
Die Sendung verlief dann recht angenehm, ich war mit einem Ehepaar auf der Seite der Betroffenen. Die andere Seite wurde von Fachpersonen belegt, die sehr viel zu sagen hatten😊
Die Reaktionen die ich anschliessend erhielt waren sehr positiv und ich war froh, dass ich diese TV-Erfahrung gemacht hatte.
Zügeln
Langsam fing ich an unseren Hausrat zu packen und das Haus zu räumen. Die Wohnung am neuen Ort war bald bezugsbereit und ich freute mich aufs Zügeln. Ohne Hilfe hätte ich jedoch nicht alles unter einen Hut gebracht.
Peter bekam von diesen Ereignissen nichts mit, er war zufrieden, wenn er gepflegt wurde, er gut versorgt war und wir uns liebevoll um ihn kümmerten. Die Kommunikation beschränkte sich „nur“ noch auf Berührung, Hand halten, über den Kopf streichen und ihm alles erzählen, was am Tag passiert war, oder nicht passiert war. Ob er wohl noch etwas davon wahrnahm, vom Zügeln, von der anderen Umgebung, von den anderen Zimmern? Bemerkt hatte ich an seinem Verhalten nichts, er war wie immer.

Gesundheitstipp
Wir waren wahrscheinlich durch die TV Sendung etwas bekannter geworden und eine weitere Anfrage gelangte an uns.
Die Zeitschrift Gesundheitstipp wollte über pflegende Angehörige schreiben. Sie wollten ebenfalls ein Interview und uns besuchen. Entgegen der Aussagen die dort gemacht wurden, fühlte ich mich als pflegende Angehörige selten überfordert, dank meinem guten Netzwerk und den Auszeiten und Ferien die ich mir gönnte. Ich bin mir aber bewusst, dass es nicht überall so ist, und pflegende Angehörige oft an den Rand eines Zusammenbruchs kommen.

Ich sagte zu, aber das war vorläufig, so beschloss ich, das letzte Mal. Es wurde mir allmählich zu viel.
Ich war mit unserem Leben im Grossen und Ganzen sehr zufrieden. Oft hatte ich im Herbst gedacht, „das Jahr 2021 wird ein gutes Jahr“. Alles lief wie am Schnürchen.
Nur eben, dass Leben geht seine eigenen Wege und oft ist plötzlich alles anders.
Der 13. Dezember
Der Tag begann normal, nur dass Peter seit 2 Tagen wieder von seinem Gluggsi geplagt wurde. Es wollte nicht aufhören. Peter hatte keinen Appetit und ass und trank an dem Tag sehr wenig.
Gegen Abend sass Peter in seinem Rollstuhl in der Stube. Ich liess leise Musik laufen und machte mir Gedanken, was ich Peter zum Abendessen zubereiten könnte.
Plötzlich hörte ich Peter, ich ging zu ihm, er verkrampfte sich, immer neue Krämpfe kamen hinzu, es wollte nicht aufhören, dazu schrie er schmerzerfüllt. Plötzlich sackte er zusammen und rührte sich nicht mehr.
Ich war völlig erschrocken und eine umfassende, tiefe Angst packte mich. Etwas war ganz und gar nicht mehr gut!
Notruf! Das war nur noch mein Gedanke. Bis mir die Nummer in den Sinn kam, verzweifelte ich fast. Dann gab ich kurz Bericht und sie sagten mir, sie kämen sofort.
Ich kontrollierte die Atmung von Peter, er atmete flach und war nicht ansprechbar. Ich versuchte es ihm möglichst bequem zu machen.
Ich weiss, es dauerte nicht lange, aber mir kam es wie eine Ewigkeit vor, bis die Sanitärer und der Notfallarzt eintrafen. Sie versorgten Peter erstmal und dann ging es in die Notfallaufnahme in der Insel. Ich fuhr im Krankenwagen mit.
Ach Peter, was war bloss passiert? Die Ärzte in der Insel konnten Peter stabilisieren, er wurde mit Sauerstoff versorgt und verschiedenen Tests gemacht. Er war nach wie vor nicht ansprechbar.
Um ca. 23 Uhr sagten mir die Ärzte sie würden Peter jetzt auf ein Zimmer verlegen und ich könne, wenn ich wolle nach Hause gehen. Sie würden mich umgehend informieren, wenn etwas wäre. Der Auslöser vom Ganzen war ein schwerer epileptischer Anfall.
Das tat ich dann auch, aber bereits um 4 Uhr in der Früh kam ein Telefon. Ich und meine Söhne machten uns auf den Weg, voll Trauer und Verzweiflung und Angst, was da auf uns zukommen würde.
Peter überstand die Nacht und wir schöpften wieder Hoffnung. Aber sein Zustand änderte sich in den nächsten Tagen nicht. Er konnte nicht essen, nicht trinken und nichts schlucken. Aber auch das elende Gluggsi wollte nicht weggehen.
Die folgenden Tage war ich praktisch immer bei ihm, ich redete mit ihm, spielte ihm leise Musik und erzählte ihm von all jenen Dingen die er gerne tat.

Die Ärzte machten uns jedoch keine Hoffnungen. Am 24. Dezember nahmen wir Peter nach Hause. Zusammen mit der Spitex, meinen Söhnen und einigen Assistenzpersonen wollten wir Peter zuhause palliativ pflegen und betreuen.
Sein Pflegebett hatten wir ins grosse Wohnzimmer gestellt, so war Peter rund um die Uhr bei uns und wir bei ihm. Weihnachten konnten wir mit der Familie gemeinsam verbringen. Peter war viel wach und seine Grosskinder waren da. Elia redete viel mit Peter brachte ihm Spielsachen ans Bett und machte ihm eine Zeichnung. Oft fragte er uns, ob die Engel den Grossvati schon geholt hätten…

Wir alle redeten oft mit Peter und jedes nahm auf seine Art Abschied von ihm.
Am 26. Dezember war Peter kaum noch wach. Die Spitex und ich versorgten ihn mit Morphium. Er sollte auf keinen Fall Schmerzen und Angst verspüren.
Am 27. Dezember, tat Peter sehr ruhig und sehr friedlich seinen letzten Atemzug.
Wir alle standen um sein Bett und weinten. Dann öffneten wir die Terrassentür und liessen Peters Seele ziehen…
Danke für alles was du uns gegeben hast! Du hast uns in all den Jahren gelehrt geduldig zu sein, gelehrt einander zu vertrauen und uns an kleinen, positiven Dingen zu erfreuen. Du hast uns gelehrt nie aufzugeben und unseren gemeinsamen Weg zu gehen. Durch dich sind wir stärker geworden.

Danke Regina, für deine einfühlsamen WORTE der letzten Tage und Stunden von Peter’s „da sein“ und dass auch ich noch schweren Herzens von Peter in den letzten Stunden Abschied nehmen durfte.
Peter, ruhe in Frieden.