
Berner Behindertenkonzept
Die Behindertenpolitik wird im Kanton Bern neu ausgerichtet. Im Zentrum stehen die freiere Lebensgestaltung für Menschen mit Behinderungen und ihr persönlicher Unterstützungsbedarf. Das wirkt sich auch auf die kantonale Finanzierung von Pflege und Betreuung aus. Die Umstellung wird zurzeit in einem Pilotprojekt getestet. Peter hat das Glück an diesem Pilotprojekt teilzunehmen.
Subjektfinanzierung statt Objektfinanzierung
Bisher hat der Kanton für jeden Klienten und jede Klientin einer Werkstätte, einer Tagesstätte oder eines Wohnheims gleich viel bezahlt, egal wie viel Betreuung die Person benötigte.
Das neue Verfahren bemisst den Unterstützungsbedarf viel individueller. Neu wird für jeden erwachsenen Menschen mit Behinderung individuell abgeklärt, wie hoch sein Bedarf an Betreuung und Pflege ist. Die Leistungen richten sich nach dem Bedarf des Menschen und nicht nach dem Bedarf der Institution. Das heisst: Neu werden vom Kanton nicht mehr in erster Linie Institutionen (Objekte) finanziert, sondern jeder Mensch (Subjekt) mit Behinderung erhält die Kosten für seinen persönlichen behinderungsbedingten Betreuungs- und Pflegebedarf vergütet.
Individuelle Abklärung
Der Betreuungsbedarf wird mit einem Fragebogen und einem persönlichen Abklärungsgespräch ermittelt. Die Abklärung soll aufzeigen, welche Unterstützung die Person mit Behinderungen benötigt, damit sie ihren Alltag meistern und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Beim Wohnen, in der Freizeit und beim Arbeiten. Daraus ergibt sich die Höhe der Unterstützungsleistungen, die der betroffenen Person persönlich zustehen. Die gewährten Unterstützungsleistungen werden in Form einer Gutschrift (Kostengutsprache) ausgestellt. Mit dieser Gutschrift kauft sich die betroffene Person die Dienstleistungen, welche sie persönlich braucht.
Stärkung ambulanter Angebote
Beim neuen Berner Modell wird die kantonale Behindertenhilfe um ambulante Unterstützungsangebote erweitert. Menschen mit Behinderungen, die bisher ohne kantonale Mitfinanzierung zu Hause betreut und assistiert wurden, erhalten künftig einen Beitrag zur Entschädigung für die Unterstützung zuhause. Mit dieser Änderung wird die Pflege und Betreuung durch Angehörige gegenüber (teil-)stationären Angeboten gestärkt. Auch im Bereich Arbeit werden Assistenzleistungen künftig durch den Kanton mitfinanziert. Dadurch haben mehr Menschen die Möglichkeit, im ersten Arbeitsmarkt tätig zu sein.
Genau dies ist der Punkt! Bis anhin erhalten pflegende Angehörige keinen Lohn oder finanzielle Unterstützung. Oft ist es ja so, dass die pflegenden Angehörigen mit der eigenen Arbeit und der Pflege völlig überfordert sind, Zum Teil kommen die Angehörigen so an ihre persönliche Grenze und werden selber krank. Die Arbeit ausser Haus muss oft aufgegeben werden. ( Dies war bei mir vor drei Jahren der Fall) Das neue Konzept soll nun auch die Angehörigen, das heisst Eheparterinnen und Ehepartner, sowie Kinder oder Eltern, finanziell entlasten.
Fürsorgedirektion (GEF) teilt in seiner Mitteilung vom 29. November 2019 mit:
„Umsetzung kantonales Behindertenkonzept: Vorliegen des Rechtsetzungskonzepts zur Behindertenhilfe
Seit anfangs Juli 2019 ist das Rechtsetzungskonzept zur Behindertenhilfe vorliegend. Zwischenzeitlich wurde der Regierungsrat in Kenntnis gesetzt und auch der Gesundheits- und Sozialkommission des Grossen Rates wurde im September 2019 Bericht erstattet.
Das auf Basis der Resultate einer Zwischenanalyse und des Pilotprojekts erarbeitete Rechtsetzungskonzept dient als Grundlage für den nun laufenden Rechtsetzungsprozess. Bis anfangs 2020 wird die Gesundheits- und Fürsorgedirektion (GEF) einen Gesetzesentwurf für die Ausrichtung der kantonalen Behindertenhilfe ausarbeiten. Nach Genehmigung durch den Regierungsrat wird der Gesetzesentwurf in die Vernehmlassung gegeben. Die GEF geht aktuell davon aus, dass die Umsetzung des Behindertenkonzepts per 2023 erfolgen kann.
Im Rechtsetzungskonzept ist die grundsätzliche Richtung für die weiteren Arbeiten dargelegt; an dieser wird festgehalten. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass der nun zu erarbeitende Gesetzesentwurf vor allem in Detailfragen vom Rechtsetzungskonzept abweichen kann.