Unsere Spaziergänge werden weniger

Bewegung ist das Mass aller Dinge. Ich weiss wie wichtig es ist, sich täglich genügend zu bewegen. Die Meinungen gehen ja auseinander, müssen es 10’000 Schritte sein am Tag? Oder eher 45 Minuten und dafür ins Schwitzen kommen? Bewegung beugt vielen Krankheiten vor, stärkt das Herz-Kreislaufsystem und die Lunge. Dazu kann das Gewicht mit Bewegung kontrolliert werden, den Gelenken nützt es und es lüftet den Kopf und gibt neue Kraft.

Wie gut war es in den letzten Jahren, dass Peter so viel unterwegs war und regelmässig kleine Wanderungen in der Umgebung machte. Die frische Luft tat ihm gut. Bei Wind und Wetter, bei Sonnenschein und Graupelschauern, ging er hinaus. Peter war gesund und hatte praktisch nie Schnupfen oder Husten. Aber nach und nach veränderte sich etwas. Die Wanderungen wurden zu Spaziergängen, die Spaziergänge zu wenigen Schritten, vielleicht waren es noch dreihundert Meter, immer in Sichtweite unseres Hauses.

Orientierungssinn und Stolpern

Wie schon beschrieben liess der Orientierungssinn von Peter nach und er getraute sich nicht mehr weit weg. Zudem war plötzlich auch sein Bewegungsapparat ins Stocken gekommen. Er nahm nur noch kleine Schritte, und den Kopf hatte er durch seine Versteifung im Nacken, sowieso gesenkt. Das gab ihm nicht unbedingt die nötige Stabilität und sein Gang wurde unsicherer.

Bald liess ich ihn nicht mehr gerne allein nach draussen, er stolperte oft, verpasste ab und zu einen Treppentritt, oder schon eine kleine Unebenheit bereitete ihm Mühe.

So beschlossen wir, so oft es ging, uns hier in der Umgebung zu bewegen oder Spaziergänge zu machen. Zur Abwechslung nahmen wir auch mal das Auto, um an einen geeigneten Ort zu fahren.

Spaziergänge

Ein beliebter Spaziergang war im Mannenbergwald. Wir parkten unser Auto auf dem dazugehörenden Parkplatz. Ein kurzer Spazierweg führte rundherum, schön schattig, meist durch den Wald. Es war angenehm, der Boden war weich und federte die Schritte ab. Wir konnten immer gut die Jahreszeiten beobachten und freuten uns an den ersten Blumen im Frühling. Auch am Laub, dass zuerst schön hellgrün war, zu dunkelgrün wechselte, sich dann im Herbst verfärbte und schlussendlich vom Baum fiel. Der Kreis des Lebens war auf all unseren Spaziergängen gut zu beobachten.

Diese Auszeiten brachten uns Ruhe und ich versuchte mit Peter ins Gespräch zu kommen. Oft redeten wir von seiner Kindheit, wie er mit seinem Vater im Wald einen Baum fällte, mit dem Traktor das Feld bestellte, oder auch einfach zu den Tieren schaute…

Wir waren oft auf dem Rundweg anzutreffen, denn es hatte ab und zu eine Sitzbank, die zum Verweilen einlud. Die waren auch nötig, denn Peter lief nicht mehr weite Strecken, wurde rasch müde und sass gerne eine Weile auf der Bank.

Zu Beginn besuchten wir oft die nahe Autobahnraststätte, um kurz einen Kaffee zu trinken. Dies war für uns eine willkommene Abwechslung. Die Autobahnraststätte war für Peter aber nach und nach viel zu weit weg und kaum noch zu erreichen.

Keine Lust mehr

An manchen Tagen wurde Peter immer langsamer, manchmal kehrte er sogar um, und die Lust am Spazieren fehlte ihm immer mehr. Er wurde oft ungehalten, sah nicht ein warum wir die Runde noch zu Ende laufen sollten. Beruhigen, war das Zauberwort und ich nahm dann oft seinen Arm, lenkte ihn ab und führte ihn zum Auto zurück. Immer von der Sorge begleitet, dass Peter plötzlich keinen Schritt mehr machen würde und wir irgendwo im Wald, mitten in der Pampa, gestrandet wären. Keine schöne Vorstellung!

Langsam war es für uns beide kein Vergnügen und keine Erholung mehr. Einmal nach einem sowieso schon schwierigen Spaziergang, war die Scheibe meines Autos eingeschlagen. Jemand dachte, dass in meinem Wagen etwas Wertvolles zu finden wäre, was natürlich nicht der Fall war. Trotzdem gab es viele Umstände, die Polizei musste gerufen werden, ein Protokoll erstellt werden, mit der Versicherung Kontakt aufgenommen werden. Die tausend Scherben putzten wir so gut es ging zusammen und schauten, dass auch auf dem Sitz keine Scherben mehr lagen. Peter nahm dieses Ereignis aber nicht mehr bewusst wahr und reagierte kaum.

Der Radius wird kleiner

Die Bewegung, die Peter immer noch brauchte, fand nun ums Haus herum statt. Er nahm oft einen Besen zur Hand, aber gross wischen und putzen tat er nicht mehr. Seine Standfestigkeit nahm ab, er war unsicher auf den Beinen und es kam vor, dass er stürzte. Selber wieder aufstehen ging noch recht gut, oder zumindest mit vereinten Kräften schafften wir es, wieder auf die Beine zu kommen. Der Verzicht auf unsere Spaziergänge war ein weiterer Einschnitt und unser Radius wurde kleiner und kleiner. Ein Einschnitt und ein Abbau, der sich mehr und mehr auf Peters Mobilität auswirken sollte.

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