Unterstützung

Im Jahr 2017 war Peter noch recht selbständig. Weitgehend hatte er sich mit der Situation abgefunden. Wir hatten eine feste Tagesstruktur und unternahmen ab und zu Ausflüge. Er bastelte im Werkraum vor sich hin, aber richtig schöne Arbeiten wurden sehr selten. Seine Werkbank war ihm aber wichtig und er verbrachte sehr viel Zeit mit sortieren seiner unzähligen Werkzeuge, Schrauben, Holzstücken und allerlei Krimskrams. Dazu hörte er Radio, war zufrieden, hing seinen Gedanken nach und war in «seiner» Welt.

Ich liess ihn nur noch kurz allein und schaute von Zeit zu Zeit im Bastelraum vorbei, um zu sehen, ob alles in Ordnung war. Zunehmend war aber nicht alles in Ordnung. Er vergass mehr und mehr auf die Toilette zu gehen, oder wusste nicht mehr wo sie zu finden war.

Ich begann ihn vorbeugend, zur Toilette zu führen, um ihm zu helfen, dass kein «Unglück» mehr passierte. Dies wurde bald danach auch in der Wohnung nötig. Ich versuchte die Badezimmertüre mit den obligaten WC Symbolen zu schmücken, damit er sich erinnerte, aber sehr viel brachte das nicht. Die Betreuung wurde dadurch aufwändiger und oft wagte ich mich kaum in den Garten zu gehen und ihn aus den Augen zu lassen.

Bis zu diesem Zeitpunkt war Peter nirgends an einem Tagesplatz angemeldet. Die Tage verbrachte er vorwiegend zu Hause mit mir zusammen. Immer öfter dachte ich: So ein «Entlastungstag» wäre schon schön. Wie befreiend wäre es doch, wenn ich auch wieder einmal einen ganzen «unbeschwerten Tag» zu meiner Verfügung hätte. Machen was mir gefällt, mit Freundinnen Mittagessen, im Wald spazieren gehen, oder einfach nur wieder einmal ausgiebig schoppen. Seit ein paar Monaten war das nicht mehr möglich.

Mir kam ein Besuch in den Sinn, den wir im Herbst 16, mit unserer Alzheimer Gruppe gemacht hatten. Unsere Leiterin arbeitete in der Tagesklinik der UPD. Sie hatte uns damals eingeladen die Tagesstätte zu besichtigen. Sie und der Leiter der Tagesklinik erklärten uns das Konzept, erzählten von ihren Aktivitäten und zeigten uns die verschiedenen Räumlichkeiten. Damals, zu dem Zeitpunkt, konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen Peter in den Tagesplatz zu geben. Er war ja noch selbständig und aktiv. Nebst den Räumlichkeiten hatte es einen kleinen Garten, aber in ein paar Schritten war der umrundet, zudem war er umzäunt (das war natürlich gut) und ich stellte mir vor, wie Peter sich «eingesperrt» fühlen würde.

Meine Meinung hatte sich aber dann doch relativ schnell geändert. Schon ein paar Monate nach unserem Besuch war plötzlich wie oben beschrieben, einiges anders. Wie schnell konnten Veränderungen eintreten.

Die Tagesklinik

Ich vereinbarte einen Termin. Der Leiter der Tagesklinik, die zuständige Ärztin, sowie unsere Gruppenleiterin der Alzheimer Gruppe, trafen sich mit Peter und mir, an der Murtenstrasse in Bern. Damit Peter aufgenommen wurde, musste ein ärztliches Zeugnis der Hausärztin vorliegen.

Ich war sehr froh, wurde «meine Gruppenleiterin» die direkte Betreuungsperson von Peter. Da wusste ich, dass er in guten Händen sein würde.

Von nun an würde Peter jeden Dienstag die Tagesklinik besuchen. Ich würde ihn jeweils bringen und abholen. Natürlich machte ich mir Gedanken, ob Peter sich wohl fühlen würde, ob er sich in die Gruppe einfügen könnte und bei den Aktivitäten auch mitmachen würde.

Welches sind die Aktivitäten und wie ist der Tagesablauf?

In der Klinik hat es Platz für 20 Personen. Es hat aber genügend Betreuer, um kleine Gruppen zu bilden, damit allen die nötige Zuwendung erteilt wird.

«Das Angebot ist ausgerichtet auf Patientinnen und Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen, zum Beispiel einer Altersdepression, einer Abhängigkeitserkrankung, einer dementiellen Erkrankung oder einer anderen Erkrankung, die zu Hause oft auf die Hilfe der Angehörigen oder der Spitex angewiesen sind.» Das Angebot richtete sich an über 65jährige,
Peter war damals 59, etwas jünger, aber das spielte natürlich keine grosse Rolle.

Aktivierung das war das Zauberwort, Bewegung, Spiele, Singen, Geschichten erzählen, Basteln, aber auch einmal einen Film schauen, oder einen kleinen Ausflug machen, gehörten zum Programm.

Nach dem ersten Besuch wollte Peter nicht mehr hin gehen. Das sei nichts für ihn, er könne sich nicht frei bewegen und diese Spiele, eher unter seiner Würde……Dieses Phänomen war bekannt und die Betreuer sagten mir, dass sich dies legen würde.

Ich hoffte, dass er es vergessen hätte, immerhin fand ja der nächste Aufenthalt erst in einer Woche statt. Dem war auch so, aber es dauerte seine Zeit, bis Peter nach und nach gerne in die Tagesklinik ging. Es war eine gute Erfahrung für Peter und er hat in den zwei Jahren, wo er den Tagesplatz besuchte, viel profitiert. Andere Menschen treffen, kleine Aufgaben lösen, mit anderen Essen, Spielen, Singen, einfach andere Aktivitäten ausleben, als er sie Zuhause Tag für Tag hatte.

Neue Assistenzperson

Da die Betreuung von Peter zunahm, regte ich bei der IV eine Überprüfung an. Bis im 2017, konnte Peter 25 Stunden im Monat an Betreuung einfordern. Das schöpften wir lange gar nicht voll aus. Unsere Nachbarin Prisca deckte ein paar Stunden ab, wenn ich zum Arzt oder zum Zahnarzt musste, oder sonst einen wichtigen Termin hatte.

Die Verantwortliche Person von der IV, die wir ja bereits kennengelernt hatten, kündete einen weiteren Besuch an. Alle Fragen wurden beantwortet und es war bald klar, dass Peter mehr Betreuungsstunden zur Verfügung hätte. Die Hilfestellungen nahmen zu, er musste mehr «überwacht» werden. Die Medikamente mussten ihm gerichtet und verabreicht werden. Die Kleider konnte er sich nicht mehr selber heraussuchen und zog sich manchmal nicht wettergerecht an. Bei der Körperpflege war es gut, wenn ich Peter half.

Nachdem die IV das ok gegeben hatte, überlegte ich mir, wen ich als weitere Assistenzperson einstellen könnte. Ich wurde schnell fündig, bot sich doch Brigitte, unsere gemeinsame Freundin, nahezu an. Sie kannte Peter sehr gut, hatte mit uns Ferien verbracht, hatte Motorradtouren geplant und war auch beim Skifahren dabei. Oft besuchte sie uns und hatte einen guten Draht zu Peter. Peter vertraute ihr und er war sofort einverstanden, dass wir Brigitte anstellten. Obwohl Brigitte bei unserem Sohn bereits eine 80% Stelle im Büro hatte, konnte sie sich vorstellen mir bei der Betreuung zu helfen. Zudem absolvierte sie den SRK Pflegehelferinnen Kurs. So viel nützliches Wissen hat sie sich dabei angeeignet. Für uns ein Glücksfall! Die Zusammenarbeit funktioniert bis heute ausgezeichnet!

Nun hatte Peter 2 Assistenzpersonen, die sich um ihn kümmerten. Die Betreuung war noch relativ einfach, mit ihm Spazieren gehen, Kaffee trinken, ein Spiel spielen, oder sich einfach nur mit Peter unterhalten. Das genügte zu dem Zeitpunkt völlig.

«Wer sich über eine längere Zeit intensiv um die Betreuung nahestehender Angehöriger kümmert, sollte sich deshalb auch von Anfang an Unterstützung holen und Pausen einplanen. So sinnstiftend die Betreuung von Angehörigen auch ist, sie geht an die Substanz. Zu den häufigsten Stressquellen gehören die grosse Verantwortung, chronische Besorgnis und soziale Isolation.»

Diese Sätze habe ich mir zu Herzen genommen und genau deshalb, achte ich auf meine eigene Gesundheit. Denn nur wenn ich selbst fit bin und Energie durch Pausen schöpfe, kann ich über längere Zeit emotionale und körperlich anspruchsvolle Betreuungssituationen meistern.

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