Am 14. März 2018 durfte Peter seinen 60. Geburtstag feiern. Wir haben die Gewohnheit, oder eher das Ritual, bei runden Geburtstagen ein Fest zu feiern.
Rituale im Alltag
Rituale sind in unserem Leben wichtig. Für uns sind es Gewohnheiten, feste Abläufe und bekannte Reihenfolgen mit einem bestimmten Symbolgehalt, die meist nicht so schnell vergessen werden. Sie geben uns gleichzeitig Sicherheit und Orientierung.
Alle kennen Rituale: mit den Kindern, das zu Bettgeh- oder Einschlafritual, oder auch die Kindergeburtstage zu zelebrieren. Ostereier zu färben, und vor Weihnachten die Türchen des Adventskalenders zu öffnen, oder die Geschenke erst nach Abbrennen der Kerzen zu öffnen. (Das klappte nie.-)
Natürlich gibt es auch viele religiöse Rituale, denken wir an die Taufe, an die Osterfeier, oder auch an eine Beerdigung. Vielen Menschen gibt ein religiöses Ritual ein Zugehörigkeitsgefühl und etwas das ihnen Halt gibt.
Rituale geben also eine Antwort auf eine der ältesten aller Fragen: Wer bin ich? Indem wir gemeinsam etwas tun, immer wieder, als Ritual, stellen wir eine Gemeinschaft her. Der Mensch wird sich der Tatsache bewusst, Teil von etwas zu sein.
Ich zum Beispiel, trinke jeden Morgen, nach dem Aufstehen und Duschen eine Tasse Kräutertee. Ich sitze am Tisch und begrüsse den Tag und heisse ihn willkommen. Ich gehe im Kopf durch, was ich erledigen muss, welche Termine ich wahrnehmen sollte und wem ich vielleicht eine Freude machen kann. Ich nehme mir auch jeden Morgen vor, Peter so gut zu betreuen, wie ich es vermag.
Im Gegensatz zu Gewohnheiten sollten und werden Rituale ganz bewusst gestaltet und eingesetzt. Weniger was ich mache ist entscheidend für ein Ritual, sondern wie bewusst ich es mache. Das ist mir sehr wichtig.
Peters Ritual, vor der Krankheit war, am Abend auf dem Holzbänkli, seine Tabakpfeife zu rauchen, auf den Tag zurückblicken, diesen zu verarbeiten und einen guten Abschluss zu finden.
Auch nach der Demenz-Diagnose von Peter haben wir unsere Rituale, die in unserer Familie wichtig sind, beibehalten. Ich bin überzeugt, dass gerade bei einer Demenzerkrankung Rituale nötig sind. Es ist das Festhalten können an Dingen, die man selbst einmal regelmäßig getan hat. Anders gesagt sind Rituale oft wie eine Schnur, oder ein Seil, die Sicherheit geben. Rituale geben Stabilität und verleihen Stunden, Tagen und Jahren eine Struktur. Rituale schaffen ein geregeltes System. Sie geben Orientierung und vermitteln ein Gefühl der Verlässlichkeit.
Der 60. Geburtstag
Also keine Frage, den 60. Geburtstag von Peter wollten wir feiern. Meistens mieteten wir eine Hütte, besorgten das Essen und die Getränke selber, sassen zusammen und liessen es uns gut gehen. Also nichts Grosses, es sollte einfach und gemütlich sein.
Das Lokal war schnell gefunden, so durften wir das Hüttli von den Hornussern in Ferenberg benutzen, bei denen Adrian Mitglied ist. Da ist alles gut eingerichtet, es hat Tische und Bänke und eine kleine Küche. Weil der 14. März ein Mittwoch war, verschoben wir das Fest auf den kommenden Sonntag.
Zuerst mussten aber noch die Gäste eingeladen werden. Wir haben natürlich unsere Familien mit Geschwistern, die Schwiegereltern, unsere Söhne mit Freundinnen eingeladen, aber auch Weggefährten, die seit Jahren mit uns verbunden sind, uns unterstützen und begleiten.

Peter war einverstanden, mit der Zahl 60 konnte er aber nicht viel anfangen. Er war sich vorher und während des Festes, auch wenn er immer im Mittelpunkt stand, nicht vollends bewusst, dass wir seinen Geburtstag feierten.
Natürlich half er tatkräftig mit, beim Vorbereiten der Räumlichkeiten, beim Tische ordnen und Tische decken. Der Raum wurde auch dekoriert, um eine bunte und fröhliche Atmosphäre zu schaffen.
Die Tage um den 14. März sind ja bekanntlich Anfangs Frühling. Wir hatten schon Zusammenkünfte, wo wir problemlos an der Sonne sitzen konnten, um die Gäste zu bewirten. So hätte ich mir das natürlich auch vorgestellt, aber es sollte nicht so sein.
Am Samstag setzte Schneefall ein und es wurde kälter und kälter. Die Gäste im Freien zu begrüssen, fiel also schon mal in den Schnee… Das Hornusserhüsli verfügte nicht wirklich über eine gute Heizung, so organisierten wir noch schnell ein oder zwei Heizstrahler. Trotzdem, auch wenn an die 40 Personen, sich im Häuschen einfanden, ganz richtig warm wurde es nie.
Viele haben uns unterstützt und ein Dessert, oder einen Salat mitgebracht. Wir mussten uns nur noch um das Fleisch und die Getränke kümmern. Überwältigend waren auch die vielen Geschenke, die Peter erhielt. Ich wurde vorher oft gefragt, was denn sinnvoll sei und was man Peter schenken könnte. Wein trank er wegen den diversen Medikamenten nicht mehr, Tabakpfeife rauchen hatte er auch aufgehört, er war damit überfordert. Lesen tat er schon länger nicht mehr und seinen Hobbies nachgehen konnte er auch nicht mehr.
Ich wünschte für ihn Reiseschecks und wir unternahmen im Sommer einige Tagesausflüge. Das Schilthorn besuchten wir, und waren auf den Spuren von James Bond. Die Giessbachfälle suchten wir auf und liessen uns von der Gischt der Fälle durchnässen. Ebenfalls bestiegen wir die steile Niesenbahn, liessen uns auf den Gipfel fahren und genossen die herrliche Aussicht. Das war eine gute Sache, sinnvoll, bereichernd und mit wunderschönen Erinnerungen verbunden. Bei diesen Ausflügen konnte Peter sich selber sein, ohne Stress, ruhig und gemächlich liessen wir es uns gut gehen.
überforderung?
Unserer Familie war klar, dass wir Peter mit einem Geburtstagsfest nicht überfordern wollten. Menschen mit Demenz reagieren oft auf laute Geräusche beunruhigt und aggressiv. Ebenso stört grelles oder blinkendes Licht und laute Musik.
Da Peter nicht mehr lange ruhig sitzen konnte, oder wollte, gingen wir ab und zu mit ihm ins Freie, um eine Runde zu drehen. Wir betreuten ihn beim Essen und beim Trinken. Wir zogen die Zusammenkunft nicht unnötig in die Länge, damit Peter nicht all zu müde wurde. Das klappte gut, da wir uns ja bereits zum Mittagessen trafen und den ganzen Nachmittag zur Verfügung hatten. Alle Gäste machten gut mit, sassen abwechslungsweise zu Peter und versuchten mit ihm ins Gespräch zu kommen.
Die Geschenke nahmen wir nach Hause und packten sie in Ruhe, und erst nach und nach aus. Ich las ihm die Karten mit den guten Wünschen vor und sie standen lange bei uns als Erinnerung auf dem Sideboard.

Peter war am Abend nach dem Fest ruhig und zufrieden und ich hatte nie das Gefühl, dass er überfordert gewesen wäre. Rückblickend betrachtet war es eine guter Tag, schön und sehr bereichernd und auch rührend, dieses spezielle Geburtstagsfest mit lieben Menschen zu feiern.
Liebe Regina, deine unermüdliche Art, Peter mit aller Liebe iimmer wieder in die Gegenwart miteinzubeziehen, bedeutet von Dir ein endloskreativschöpferischmutigeseinzigartigesanpackendesbewundernswertendes TUN…😘 meine Gedanken sind oft bei Dir und Peter💐…
in Liebe
Katharina Bachmann
Flugbrunnen
Liebe Katharina
Danke, danke für deine lieben Worte. Es tut gut, das Wohlwollen und die guten Gedanken von lieben Menschen zu spüren. Liebe und Vertrauen, dass man das Richtige macht, sind die Schlüsselworte, die mich den Weg mit Peter gehen lassen.
Mit herzlichen Grüssen Regina
Schön von dir, Regina, hast du damals Peters 60. Geburtstag trotz seinem Leiden nochmals mit euren Lieben gefeiert.
Auch wenn Peter sich nicht daran erinnern konnte, warum du dieses Ritual, wie du es benannt hast durchzogen wurde. hat ihm die Abwechslung vom „Alltagstrott“ sicher gut getan. 👍
In diesem Sinne, häb wyterhin e gueti Zyt, so hoffe ich.
Mit emene liebe Gruess vom Thunersee.
Lieber Manni, ja es war eine gute Sache, ich bin so froh haben wir das Fest genau so abgehalten!
Gruess a di, a der schönschte Bucht vo Europa 🙂