Durch unsere frühere Alzheimergruppenleiterin bekam ich eine Anfrage. Ob ich bereit wäre in eine Klasse zu kommen und zu erzählen? Über die Krankheit Demenz und wie man sich als Angehörige fühlt? Zu erzählen welche Hindernisse uns begegneten. Zu erzählen wie die Krankheit erkannt wurde, und was die weiteren Schritte waren. Zu erzählen von Trauer und Wut, aber auch von glücklichen und bereichernden Momenten.
Bildungszentrum Pflege
Bei der Klasse handelte es sich um MPA’s also medizinische Praxisassistentinnen und Assistenten. Diese machten eine Weiterbildung, die das Thema Demenz beinhaltete.
Ich stellte mir vor, wie es bei uns damals auch war, dass bei einem Demenzverdacht zuerst die Hausarztpraxis aufgesucht wird. Das Anliegen der Patienten ernst nehmen und als Praxis-Assistentin verstehen lernen, dass es für die Betroffenen kein leichter Weg ist, den ersten Schritt zu tun. Aufmerksam und empathisch sein und lernen auf was geachtet werden muss.
Um den Unterricht anschaulicher zu gestalten und nicht nur Theorie zu büffeln, wurde an einem Tag ein Direktbetroffener, also eine an Demenz erkrankte Person, eingeladen. Ganz klar an erster Stelle, diese Sicht zu beleuchten. Den Direktbetroffenen eine Stimme zu geben ist sehr wichtig. Sie beurteilen ihre Krankheit sicher völlig anders als die Angehörigen und leiden enorm.
Aber auch die Angehörigen leiden und auch sie müssen ihr Leben neugestalten. Sie zu verstehen und deren Sicht zu ergründen war ein Teil und eben nun mein Part.

Ich fand es schon von Beginn an wichtig, die Krankheit nicht zu verschweigen, sondern offen darüber zu sprechen und die Mitmenschen zu sensibilisieren.
Ich konnte mir gut vorstellen Auskunft zu geben, Fragen zu beantworten und meine Erfahrungen zu teilen. Ich war von meinem früheren Beruf gewohnt vor Menschen aufzutreten, also sagte ich zu.
Das Ganze sollte an einem Vormittag in der Schule stattfinden. Die Schülerinnen und Schüler waren schon voll im Thema und erarbeiteten viele Fragen. Fragen, die für ihre Arbeit in der Praxis unterstützend und hilfreich waren.
Die beiden Lehrpersonen bündelten die Fragen zu Gruppen. Themen wie der Anfang der Krankheit, Reaktion von Peter, meine Gefühle, Aggressionen, Trauer, Wut, das Finanzielle, die Unterstützung und Hilfe durch Organisationen, oder auch wie es mit der IV voran ging…
Die Zeit verging im Flug und ich konnte fast nicht alle Fragen beantworten. Ich fand es unglaublich spannend und wie mir die Schüler und Lehrpersonen versicherten, sie auch. Über die Zeit gesehen war ich ca. drei Mal bei den Pflegeassistentinnen und Assistenten.
Berner Fachhochschule
Eine weitere Anfrage kam von der Berner Fachhochschule. Die Anfrage kam über die Alzheimervereinigung Bern zu mir. Die Fachhochschule war auf der Suche nach Angehörigen. Die Pflegenden, die einen höheren Abschluss machten, begegneten auch dem wichtigen Thema Demenz. Genau wie in der vorherigen Schule wurden viele Schwerpunkte auf die Betroffenen und auch deren Angehörigen gelegt.
Am Schultag war ich recht erstaunt, als ich mich rund 80 Studentinnen und Studenten, gegenübersah. Hier waren die Fragen sehr vertieft und manchmal nicht leicht zu beantworten. Ich fühlte mich aber wohl und hoffte, dass ich meine Erfahrungen gut übermitteln konnte.

Alzheimer Bern
Eine weitere Anfrage durfte ich von der Alzheimervereinigung Bern, entgegennehmen. In einer Vortragsreihe, die durchs Jahr stattfinden sollte, wurden betroffenen Angehörige eingeladen sich zu informieren. Themen wie was nach der Diagnose, oder welche Schritte sind jetzt notwendig? Oder die verschiedenen Demenzformen wurden jeweils näher erläutert, der Umgang mit Aggressionen auch, und an «meinem Abend» durfte ich von meinen Erfahrungen erzählen. Die Teilnehmenden hatten die Gelegenheit all ihre Fragen zu stellen. Das war für mich sehr emotional, aber auch für die Anwesenden war es ein emotionales Thema. Für viele war die Diagnose noch nicht lange da und die meisten standen ganz am Anfang eines langen und schwierigen Weges.

Genau wegen dieser Vortragsreihe kam bei mir mehr und mehr der Gedanke auf, eine eigene Internet-Seite zu gestalten. Ich wollte alle Informationen die uns geholfen hatten, zusammentragen, Adressen einfügen und alle gängigen Angebote vorstellen. Ich wollte den Angehörigen ein Instrument in die Hand geben, damit sie auf einfache Weise, die für sie wichtigen Informationen, erhalten. Dass dann noch ein Blog dazu kam war eher Zufall.
Meine Gedanken bündeln, erzählen vom Leben mit Demenz war mein Anliegen. Auf keinen Fall wollte oder will ich Ratschläge erteilen, oder die Leser belehren. Ratgeber, Bücher, Fachpersonen gibt es genug, das Internet ist voll davon. Ich wollte einfach schnörkellos von unserem Leben erzählen. Einem Leben mit Hochs und Tiefs, mit Freude und Tränen. Es ist unsere Geschichte, unser Leben, einmalig und unverwechselbar. Niemand sonst wird die gleiche Geschichte haben, viele würden ganz anders reagieren als wir, wieder andere würden niemals an die Öffentlichkeit gehen.
Dieses Erzählen tat und tut mir gut. Oft blättere ich im Ordner (ich druckte die Blogbeiträge zusätzlich auch immer aus) und lese in unserer Geschichte. Sehr umfassend, und schon so viele Erinnerungen die zusammengekommen sind. Eben, ein Teil unseres Lebens.
Vielleicht helfen die Beiträge auch unseren Söhnen und vielleicht, ich hoffe es, kann später Elia den Blog lesen, den Ordner durchblättern und sich an seinen Grossvater erinnern.
