Der gleiche Tag wie im Leben von Peter, Teil 2
Nun heisst es das Mittagessen vorbereiten und anrichten und zum Tisch sitzen. Das Essen schmeckt Peter und er scheint zufrieden zu sein. Nach dem Essen wird Peter müde und er schläft im Wohnzimmerstuhl ein.
Mit dem Abstauben und Bad putzen bin ich nicht weitergekommen, also fällt diese Arbeit jetzt an. Zum Schluss hole ich den Staubsauger und sauge die Wohnung. Trotz des Lärms höre ich es plötzlich poltern. Ups, Peter liegt am Boden, lang ausgestreckt, er ist wieder hingefallen. Dies ist nun eben diese Situation, wo Peter hilflos am Boden liegt und nicht mehr weiss, wie aufstehen. Zum Glück ist unsere Nachbarin da. Sie hilft mir Peter auf einem Stuhl zu setzen. Gott sei Dank, alles ganz, nichts gebrochen.
Weil Peter plötzlich vom Motorrad und einem Zeltplatz erzählt, gehe ich davon aus, dass er sich im Moment in den Ferien wähnt. Peter will meine Hand nicht loslassen. Ich sitze eine Weile bei ihm und versuche das Gespräch auf unsere Ferien in der Provence zu lenken. Ich schildere ihm unsere Motorradtouren, schildere ihm die blauen Seen, die Olivenbäume, den Ginster und den warmen Wind. Halt, ich habe auch noch ein paar Fotos, die ich nun hervorkrame und ihm zeige. Oft weiss ich nicht so genau, freut er sich darüber, oder wird er traurig, von all den Erinnerungen? Er schaut die Bilder interessiert an… Seine Reaktion ist nicht ganz schlüssig, aber doch habe ich das Gefühl, dass er ruhiger wird und sich vielleicht doch erinnert?
Später geht die Haustüre auf und Adrian kommt zu Besuch. Er ist unser jüngerer Sohn. «Hallo Vater» sagt er, «wie geht es dir? Alles gut? Was hast du heute gemacht?» Peter reagiert nicht, es ist nicht das erste Mal, dass er seine Söhne Michael und Adrian nicht mehr wahrnimmt.
Adrian geht zu ihm hin und nimmt seine Hand. Die drückt Peter ganz kurz, aber es erfolgt kein Blickkontakt. «Peter, das ist Adrian unser Sohn, Michael, der andere Sohn wird auch bald kommen. Er wird Elia, unser Grosskind mitbringen.» Peter reagiert vorerst nicht, er schaut mich verständnislos an.
Wir unterhalten uns, Michael kommt auch bald und Elia ebenfalls. Plötzlich wird Peter laut und schimpft vor sich hin. Er scheint zornig zu sein und ist vorerst nicht zu beruhigen. Sind wir zu laut? Stören ihn die verschiedenen Menschen, fühlt er sich übergangen? Oh Peter, wenn wir nur in deine Gedanken und in deine Gefühlswelt eintauchen könnten. Ich setze mich zu Peter, streiche ihm über den Kopf und allmählich wird es besser und Peter beruhigt sich.

Nach dem Nachtessen, unsere Söhne sind gegangen, räume ich noch ein wenig auf. Ich freue mich auf einen spannenden Krimi, der im Fernsehen zu sehen sein wird. Peter sitzt manchmal mit mir vor dem TV, oft ist es aber nicht möglich in Ruhe einen Film zu sehen. Heute ist es nicht möglich, Peter steht auf und läuft vor dem TV hin und her und hin und her. Ich setze ihn wieder auf den Stuhl, aber gleich steht er wieder auf. Vielleicht sind es die Handlungen, die Stimmen, die Lautstärke, die sich negativ auswirken auf ihn. Vielleicht macht es Angst in seiner Welt, wo vieles nicht mehr klar erscheint und nicht mehr richtig eingeordnet werden kann.
Tja, nichts von spannendem Krimi, ich schalte den Fernsehapparat wieder aus. Auf meine Frage: »Peter möchtest du ins Bett?» kommt ein deutliches ja.
Also, zuerst wieder ins Bad, (der Spiegel ist abgedeckt). Zähne putzen, das geht auch am Abend nicht besser als am Morgen und das Gesicht und die Hände helfe ich ihm natürlich auch zu waschen. Nach dem Pyjama anziehen, begleite ich Peter auf die Toilette und ziehe ihm eine neue Einlage an. Nun ist er *bettfertig* und ich führe ihn zum Bett. Er schlüpft unter die Decke und ich decke ihn bis unters Kinn zu. Ich habe mir angewöhnt noch etwas bei ihm zu sitzen, den Tag noch einmal Revue passieren zu lassen.
Plötzlich fragt mich Peter, ob seine Mutter noch lebt? Im ersten Moment denke ich, ich darf Peter nicht anlügen, sag ihm, dass seine Mutter schon vor 10 Jahren gestorben ist. Im zweiten Moment denke ich aber, wenn eine Notlüge Peter in Sicherheit wiegt und er findet seine Ruhe, so ist die Notlüge nicht verwerflich. Also sagte ich ihm, dass seine Mutter sicherlich bald wieder kommt, da sie noch etwas zu erledigen hat. Peter ist jetzt beruhigt, wird es gleich wieder vergessen und auch morgen wieder nach seiner Mutter fragen.

Ich streiche Peter noch kurz über den Kopf, lösche das Licht und bald höre ich seine ruhigen Atemzüge… Gute Nacht Peter, schlaf gut!
