Manchmal hadere ich mit dem Schicksal und sehne mich nach Normalität, nach unserem gewohnten Alltag. An anderen Tagen kann ich mein Bedauern, dass Peter diese schreckliche Krankheit erleiden muss, schwer ertragen. Warum ausgerechnet er?
Ich weiss ja, dass Mitleid uns nicht weiterbringt, ich weiss auch, dass ich an der Situation nichts ändern kann. Und dennoch, manchmal erlaube ich mir, die Demenz von Peter wegzuzaubern und ich stelle mir vor was wäre wenn…
…wenn Peter Ferien hätte, und seine Sachen packen würde und sich freuen würde auf eine wunderbare Töfftour? Ich sehe ihn, wie er am Tisch sitzt, vor sich eine grosse Frankreichkarte und er sich den Weg auf der Karte anzeichnet. Ich sehe, wie er akribisch die Taschen auf dem Motorrad befestigt, sein Zelt aufschnallt, seine Lederklamotten anzieht, sich auf den Töff schwingt und mir noch einmal zuwinkt. Voller Freude und voller Abenteuerlust braust er davon. Er würde sich schon am selben Abend melden und mir sagen wo er das erste Mal übernachtet und wie die Tagestour für den morgigen Tag geplant ist. Wäre er wieder daheim würde er mir mit leuchtenden Augen von der unvergleichlichen Landschaft in der Provence erzählen. Er würde die bezaubernden Seen von Sainte Croix im Verdun beschreiben und mir die Fotos, die er mit seinem Handy gemacht hätte, voller Stolz zeigen. Peter deine Abenteuer und Reiselust fehlen so sehr…
Wie wäre es, wenn...
…wir im Tessin eine Wanderung machen würden? Der Maggia entlang, wandern wir flussaufwärts. Das Wetter ist sonnig und warm. Wir überqueren die wunderbaren grossen Steine, klettern darauf herum, baden unsere Füsse in der kalten Maggia und geniessen die Wärme.
Wenn die Rast vorbei ist geht’s weiter aufwärts bis zum Wasserfall in Foroglio. Wir steigen hoch bis zum Scheitel des Wasserfalls und bewundern die Aussicht und hören das Tosen des Wassers. Anschliessend im Grotto bestellen wir ein Glas Merlot und geniessen einen Pilzrisotto. Die Schönheit des Wasserfalls würde uns verzaubern und wir würden staunen ob dem Farbenspiel, wenn die Sonne in den Sprühnebel fällt. Die wunderbaren alten Häuser in Foroglio würden ein tolles Fotosujet geben und vielleicht würden wir auch einen handgefertigten Artikel in einem kleinen Laden erwerben. Zufrieden und müde würden wir dann ins Poschi steigen und wieder zurück nach Locarno fahren. Peter deine Wanderlust fehlt…
Wie wäre es, wenn…
…Peter hier daheim am Haus ein paar Verschönerungen vornehmen würde? So nötig wäre ein neuer Anstrich und wenn er schon am Arbeiten wäre, würde er auch gleich den Schopf neu streichen und die Palisadenwand auswechseln. Er würde Ziegel ersetzten und den Rasen mähen und den Zufahrtsweg wischen. Er würde mir so viel der täglichen Arbeit abnehmen. Er würde die Getränke nach Hause schleppen, er würde die Pneus am Auto wechseln, ja mir sogar das Auto waschen…Peter dein handwerkliches Geschick und dein unermüdliches Arbeiten rund ums Haus fehlen so sehr…
Wie wäre es, wenn…
…Peter mit Elia oben im Wald bei den Flühen herumklettern würde? Er Elia die Höhlen zeigen würde, in der er sich als Kind so oft aufgehalten hat? Wenn er mit Elia zur Ruine Geristein wandern würde, die lange Treppe hochklettern und ihm von den Rittern zu Geristein erzählen würde? Oder er mit ihm zum Elefanten, der sich gar nicht weit weg von der Ruine befindet, gehen würde? Sie würden unter dem Rüssel des grossen Steinskulptur hindurchkriechen und sich sehr klein fühlen. Der Elefant ist ein Wahrzeichen, dass viele Wanderer anzieht und natürlichen Ursprungs ist… Peter du fehlst als Grossvater so sehr…
Wie wäre es, wenn? Es wäre einfach schön…
Nun ja, ich löse mich von all den Gedanken und Erinnerungen und bereite mich auf den Tag vor. Bald wird die Spitex eintreffen und mir dabei helfen Peter zu waschen und anzukleiden. Ein neuer Tag beginnt und das Leben geht weiter…
Ja, Regina, WAS WÄRE WENN?
Vielen Dank für deinen neuen Post, welcher mich sehr berührt. Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft, Ausdauer und Erfolg.
Liebe Grüsse
Manni
Liebe Regina,
dein Post heute hat mich wieder sehr berührt. Du hast uns an deinen traurigen Gefühlen teilnehmen lassen, an dem was wäre wenn……nicht dieses Schicksal euch getroffen hätte. Du hast bislang soviel Stärke gezeigt und es ist so ok und gut, nun uns auch deine Gedanken, was wäre wenn……mitzuteilen. Selten hast du mit eurem Schicksal öffentlich gehadert, obwohl es doch für jeden nachvollziehbar ist. Du hast immer nur Stärke gezeigt und dich zurück genommen.
Auch wir denken oft, warum gerade Peter……
Unsere guten Gedanken sind bei euch. Viel Kraft weiterhin. Ganz liebe Grüße aus Deutschland Margit und Viktor